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Wehrkirchen in Niederösterreich |
"Bucklige Welt", das ist die Hügelregion südlich Wiener Neustadt im Bundesland Niederösterreich. Diese "Bucklige Welt" haben wir während unserer vielen Österreichreisen immer rechts und links der Autobahn Wien-Graz liegenlassen. Ansehen gewollt hätten wir schon, aber gepaßt hat's halt nie. Die Südsteiermark, der burgenländische Seewinkel und Wien schienen uns attraktiver, als diese dünn besiedelten, grünen Hügel ("Buckln"). Foto © "Niederösterreich" Auch bei unserem neuerlichen Österreichbesuch war die "Bucklige Welt" nicht unser Reiseziel. Sie lag einfach nur auf dem Weg
vom nördlichen ins südliche Burgenland, unserer eigentlichen Destination. Überzeugen wollten wir uns selbst davon, ob die
von
Jakob Strobel y Serra in der FAZ beinahe schwärmerisch geschilderten Begegnungen mit burgenländischen Winzern und Gastronomen
der rauhen Tages-Wirklichkeit standhielten und ob dem unbekannten Touristen dieselben Glücksgefühle beschert sein würden wie
einer Runde eingeladener Pressevertreter. (Ohne diese Frage im Detail zu beantworten, soviel: Nicht ganz. Ganz ordentlich, auch
einen Umweg, nicht aber eine Reise wert, wenn man nicht zusätzlich ...) "Wehrkirchenstraße Bucklige Welt". |
Jedoch vorher nochmals zum Thema 'Kirchenburgen'
Gemeinhin herrschen - sofern man nicht Siebenbürger Sachse ist -
bei der Erwähnung des Begriffs "Kirchenburg" - wenn überhaupt - diffuse Vorstellungen, über welche zusätzlichen
Kriterien wehrhaft ausgestaltete Kirchen, ergo "Wehrkirchen", verfügen müssen, damit diese als "Kirchenburg" definiert werden
können. Kirchenburgen sind (auch) Wehrkirchen, aber nicht alle Wehrkirchen
sind Kirchenburgen Das häufig (und teilweise zu Recht) gescholtene Wikipedia benennt den
Unterschied so: | |
Man unterscheidet drei Arten von Kirchenburgen: ∗ Über der Decke des Kirchenschiffes und des Chores wurde eine "Wehretage" eingezogen. Desweiteren wurde die Kirche mit einer Ringmauer und Wehrtürmen umgeben. Beispiele für diese einfachste Wehrausstattung der Kirchenburg sind u.a. Kelling (Calnic), Mühlbach (Sebes), Wurmloch (Valea Viilor) und Arkeden (Archita). ∗> Aufwendiger ausgestattet wurden z.B. die Kirchen in Deutsch-Weißkirch (Viscri) und Birthälm (Biertan). Hier wurden anstatt eines einzigen Wehrgeschosses zwei bis drei Etagen aufgesetzt. Die Kirche umgaben bis zu drei Wehrmauerringe mit Wehrtürmen und teilweise Wassergräben. ∗ Bei dem dritten Typ Kirchenburgen wie die in Tartlau (Prejmer) und Honigberg (Harman), wurden die Kirchen selbst nicht befestigt. Hier bestand das Verteidigungsprinzip daraus, dass die Kirche mit ein oder zwei bis zu 17 Metern hohen und bis zu 4 Metern breiten Mauerringen umfasst wurde, wobei Bastionen und Wehrtürme die Verteidigungskraft erhöhten. Diesen Kirchenbautypus findet man hauptsächlich im Szeklerland. |
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Da Kirchenburgen allen Dorfbewohnern Schutz zu bieten hatten und Nahrungsmittel für den Fall einer längeren Belagerung vorgehalten werden mussten, waren Vorratskammern in den Befestigungsmauern, in den Wehrtürmen und teilweise sogar in den Kirchtürmen angelegt worden. Viele Anlagen verfügen heute noch über sog. "Specktürme", Türme in der Befestigungsmauer, die der Fleisch- und Schinkenaufbewahrung dienen. So in Hamruden (Homorod). |
Doch zurück zu meinem Reise-Report über die
Wehrkirchenstraße Bucklige Welt. | ||
Diese Entdeckung gab der Fahrtroute den letzten Schliff. Vom Flughafen Schwechat führte die Strecke am Westufer des Neusiedler Sees entlang, an Eisenstadt vorbei und bei Wiener Neustadt in die Bucklige Welt. Über die Routenvorschläge der Tourismusexperten setzte ich mich souverän hinweg und plante unsere Wehrkirchen-Besuche in der fahrtlogischen Reihenfolge: Katzelsdorf, Ofenbach, Pitten, Bromberg, Hochwolkersdorf, Wiesmath, Hollenthon, Lichtenegg, Edlitz, Bad Schönau, Krumbach. | ||
Von Krumbach aus ging's dann nach
Kofidich-Harmisch im südlichsten Zipfel
des Burgenlandes, dorthin, wo sich nach hauptstädtischer Schilderung Fuchs und Hase gute Nacht sagen, dorthin, wo die
Ortseingangsschilder zweisprachig sind, mal deutsch-ungarisch, mal deutsch-kroatisch. |
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Die Rückfahrt interessiert eigentlich hier nicht sehr, sie entsprach touristischer Routine: von Harmisch zuerst ins "Kellerviertel" Heiligenbrunn [Zentrum des Uhudlers und berühmt für die weltweit einzigartigen Strohkeller aus dem 18. Jahrhundert], dann über die ungarische Grenze nach Szombathely (Steinamanger) und ins schöne Köszeg (Güns), dann zurück ins Burgenland nach Deutschkreutz [Zentrum des Blaufränkisch-Anbaus], dann wieder nach Ungarn zum Esterházy-Schloß in Fertöd (warum nur haben wir das Schloß in Fertöszentmiklós gesucht?). Die letzte Etappe führte uns schließlich in den burgenländischen Seewinkel nach Frauenkirchen und zurück nach Wien (ins Krankenhaus; aber das ist eine andere Geschichte.) Natürlich war unser Interesse umgehend geweckt, bot sich hier, zeitlich nur durch dreißig Tage voneinander getrennt, ein unmittelbarer Vergleich mit dem Thema unserer Siebenbürgenreise. Zwölf Wehrkirchen liegen an der gleichnamigen Straße, zu denen der "Verein Bucklige Welt Regionalentwicklung" im Internet auf mehreren Seiten Informationen vorhält. Den Link "Marke Bucklige Welt" (sic!) klickt man besser nicht an, sondern hangelt sich über "Tourismus" und "Kultur" [wo man mit "Sooo schön klingt die Bucklige Welt" begrüßt wird] zu neun Unterkapiteln, von denen eines "Wehrkirchenstraße Bucklige Welt" heißt: "Die Wehrkirchenroute führt gleich einem riesigen Freilichtmuseum (von Edlitz) weiter in die Orte Krumbach, Hochneukirchen, Bad Schönau, Kirchschlag i.d.B.W., Lichtenegg, Hollenthon, Wiesmath, Hochwolkersdorf, Bromberg, Lanzenkirchen und Katzelsdorf. An jeder Kirche finden Sie eine Kurzbeschreibung der bedeutendsten Wehreinrichtungen. Die Route kann mit dem Bus/PKW, dem Fahrrad auf dem Rundwanderweg oder hoch zu Ross auf regionalen Reitwegen erforscht werden." |
Einen erheblich professionelleren Eindruck hinterläßt die Homepage des Austria-Forums, das unter dem Kapitel "Österreichs schönste Erlebnisstraßen" die Wehrkirchenstraße (die hier "Niederösterreichische" heißt) in Bild und Wort vorstellt. Schauen wir uns an, worauf sich der Anspruch, eine einmalige, spannende Touristenroute zu sein, wirklich gründet. Es sind die Wehrkirchen von Edlitz, Bromberg, Lichtenegg und Bad Schönau, die ihren ursprünglichen Charakter bewahrt haben und einen Eindruck davon vermitteln, welche Anstrengungen und Kosten damit verbunden waren, Leib und Leben der Gemeindemitglieder zu beschützen.Im Austria-Forum heißt es dazu: "Durch den Fall von Konstantinopel und das Vorrücken der Osmanen gegen Mitteleuropa wurde im südöstlichen Teil des heutigen Österreichs, aber auch im benachbarten christlichen Ungarn, die Gefahr überfallen, getötet, beraubt oder verschleppt zu werden, zum fixen Bestandteil des Alltags. Es wurde notwendig, sich in wuchtigen, schwer brennbaren Gebäuden wirksam gegen Angreifer zu verteidigen. Vielfach waren Kirchen der einzige aus Stein errichtete Bau. Nach 1700 wurden diese Wehranlagen als Festungen bedeutungslos, entsprachen sie doch nicht mehr den technischen Möglichkeiten der Kriegsführung. Naturgemäß wurden viele funktionslos gewordene Bauteile nicht mehr instand gesetzt, sondern abgetragen, zugemauert bzw. durch Umbauten total verändert. Dem war aber ausnahmsweise in der Buckligen Welt nicht so, denn die Bevölkerung war arm und so konnte die "barocke Erneuerung" nicht in dem Maße Platz greifen, wie es in anderen Landesteilen der Fall war." (Wegen des schlechten Bildmaterials bitte ich um Nachsicht. Im Gegensatz zu den Kirchenburgen, die - wie es der Natur von "Burgen" entspricht - meist außerhalb von Ortschaften liegen, befinden sich Wehrkirchen - so, wie es sich für Kirchen gehört - innerhalb der Ortskerne. Deshalb sind die Blick- und Photographierwinkel enger und kürzer. Und deshalb ist es um so viel schwieriger, die Objekte komplett und ohne stürzende Linien mit der Linse zu erfassen.) | |||
Edlitz St. Veit geöffnet |
Bromberg St. Lambert geschlossen |
Lichtenegg St. Jakob geschlossen |
Bad Schönau St. Peter und Paul geöffnet |
Edlitz, beherbergt eine der schönsten Wehrkirchen der Buckligen Welt. An Wehreinrichtungen sind heute noch vorhanden: Gusserker, Schießscharten, Wehrobergeschoss im Dachboden, eine ehemalige Zisterne unter dem Fußboden der Kirche und Überreste der ehemaligen Kirchhofwehrmauern. Die Pfarrkirche hl. Veit wurde um 1455 herum als spätgotisches Langhaus mit Kreuzrippengewölbe erbaut. In halber Höhe der nördlichen Langhauswand ist noch ein gemauerter Laufgang zu erkennen. Hier gibt es auch einen Verbindungsgang zum zweiten Turmgeschoss (Fluchtweg vom Kircheninneren über den Turm auf den Wehrdachboden). Die starken Pfeiler geben dem Inneren einen wuchtigen Eindruck. An der Westfront ist ein monumentales Fresko des hl. Christophorus aus dem Jahre 1500 erhalten. Im Chor und Langhaus sind Wandmalereien über die Vertreibung aus dem Paradies, sowie Kreuzigungsszenen aus dem Jahre 1581 freigelegt worden. Textquelle |
Die mächtige gotische Saalkirche steht erhöht über dem Ort und war ursprünglich durch eine Ringmauer mit Türmen und Vorwerk gesichert. Die noch erhaltenen Schießscharten, der Gusserker über dem ehemaligen Haupteingang und der wuchtige, gedrungene Turm sind Zeugen der Wehrhaftigkeit. Der Turm (erbaut im 11. Jahrhundert) ist besonders interessant, weist er doch in seinen sehr umständlich zugänglichen Obergeschossen (Bergeturm) verborgene Tresorkammern für die sichere Aufbewahrung von wertvollem Gut auf. Der Hauptteil der Kirche (Langhaus mit Netzrippengewölbe) wurde 1471 bis 1496 erbaut. Interessant sind die spätgotischen Gewölbemalereien rund um das "Heilig-Geist-Loch" sowie der mächtige Christophorus an der Außenfront. Textquelle & Fotoquelle © |
Mit der umgebenden, rundturmbewehrten Mauer mit Balkenlöchern für den Wehrgang und dem eigens für Verteidigungszwecke aufgestockten Obergeschoss ist die Pfarrkirche hl. Jakobus eine der wenigen fast vollständig erhaltenen Wehrkirchen. Schießscharten in der Ringmauer und im Mauerwerk der Turmobergeschosse, ein geheimes Zwischengeschoss und ein Backofen im Kirchturm sind die heute noch vorhandenen Zeugen einer wehrhaften Vergangenheit. Die Zinnen der Wehrmauer wurden 1880 abgetragen. Auflagehölzer in den Schießscharten bezeugen die Verwendung von Hakenbüchsen. Der Ausbau zur Wehrkirche geschah ab dem 15. Jahrhundert. Das Innere ist ein Langhaussaal mit Fresken aus der Zeit um 1400. Im Chorgewölbe finden sich frühbarocke Rankenmalereien mit Spruchbändern aus der Zeit um 1638. Textquelle |
Die Bad Schönauer Wehrkirche war seinerzeit mit einer dreifachen Wallanlage befestigt, in die auch der Pfarrhof mit einbezogen war. Ein Brunnen, schlitzartige Schießscharten, verborgene Zugänge zum Wehrobergeschoss und eint wuchtige Sakristeitür mit Axthiebspuren sind Zeugen für die Wehrhaftigkeit, die letztmalig 1708 gegen die Kuruzzen unter Beweis gestellt werden musste. Die weithin sichtbare, auf einem Kirchhügel erbaute Kirche ist ein blockartiger Bau mit interessanten Fresken aus dem Jahre 1320. Textquelle |
Zeigen sollte ich sie trotz alledem, die übrigen acht "Wehr"-Kirchen. Denn möglicherweise sehe ich das alles viel zu eng, bin zu stringent, zu puristisch. Vielleicht sollte man großzügiger mit den Definitionen umgehen. Oder den Österreich-Bonus berücksichtigen. Wer Marketing-Kampagnen z.B. mit "Österreich-das Land, in dem der Winter stattfindet", "Graz hat's" und "In Linz beginnt's" fährt, dem kann man wohl auch nicht verübeln, daß er eine Touristikstraße erfindet, die es eigentlich mangels Masse nicht geben dürfte. Sei's also drum: Willkommen auf der "Wehrkirchenstraße Bucklige Welt" ! | |||
Katzeldorf © |
Lanzenkirchen- Ofenbach |
Pitten |
Hochwolkersdorf © |
Wiesmath © |
Hollenthon © |
Krumbach © |
Kirchschlag |
© Friedrich J. Ortwein Hennef im November 2014 |
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